10.02.2012 Dominikanische Republik, IJFD Programm, 2011/12 Villa Tapia Halbjahresevaluation
Die Aufgabe, sechs Monate Auslandserfahrung auf wenigen Seiten DIN-A4 Papier zu komprimieren ist an sich schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt, da – egal was für Bemühungen man unternimmt – man den letzten sechs Monaten nicht im Geringsten gerecht werden kann. Dennoch versuche ich nun, an Hand der bereitgestellten Leitfragen, das Abenteuer „Dominikanische Repiblik“ ein wenig zu entflechten um einen einigermaßen angemessenen Gesamtüberblick liefern zu können.
„Pessimisten haben den Vorteil, dass sie seltener enttäuscht werden“, wie ein recht bekanntes Zitat von Robert Lembke besagt. Diesen Spruch zu Herzen genommen, ging ich mit keinen Erwartungen oder Plänen an dieses Freiwilliges Soziale Jahr, wofür ich auch sehr dankbar bin. Im Vergleich zu ein paar Mitfreiwilligen, die auf den Vorbereitungsseminaren noch in Hochstimmung ihre Arbeitsziele planten, nach einigen Monaten jedoch teilweise stark desillusioniert erschienen, bin ich von eben solcher Niedergeschlagenheit – abgesehen von dem obligatorischen „Weihnachtstief“ – nämlich verschont geblieben. Als ich im Januar 2011 meine Zusage für die Dominikanische Republik bekam, befand ich mich mit meinem Kenntnisstand über eben jenes karibische Land wohl auf dem gleichen Level wie 99% aller deutschen Bundesbüger: Karibik, Palmen, Sonne. Erst in den darauffolgenden Wochen und Monaten drängten sich andere Stichpunkte in mein Bewusstsein – Prostitution, regionale Disparitäten, Gewalt an Frauen, Versorgungsprobleme, grausames Bildungssystem (eines der schlechtesten in ganz Lateinamerika). Diese Vorbereitung hat dabei geholfen, dass ich nicht ganz so blauäugig in diese Erfahrung hineingestolpert bin. Doch es wäre heuchlerisch, wenn ich sagen würde, dass die Dominikanische Republik keinerlei Überraschungen für mich bereit hielt. Das sehr präsente Gefälle zwischen Arm und Reich (man kann in einer Straße von einem mit BMWs gepflasterten Villenviertel innerhalb zwei Minuten in eine Wellblechüttensiedlung gelangen, in der Kinder halbnackt mit Plastikkartons spielen.), die stark schwankende Elektrizitäts-und Wasserversorgung (fließendes Wasser gibt es beispielweise meist nur an 4-5Tagen pro Woche) und die Gewissheit, dass man in der Dominikanischen Republik des Öfteren nichts wirklich planen kann, sind nur einige Beispiele von eben solchen Unterschieden. So viel zu meinen ersten Eindrücken. Um den Fokus nun auf mein Projekt zu lenken, muss man zunächst erst einmal zwischen der Partnerorganisation des ICJA in der Dominikanischen Republik („Oficina Técnica Provincial“) und meinem Projekt („Fundación Nuevo Rumbo Juvenil“) differenzieren. Die Oficina Técnica war für uns in unserem ersten Monat in der Dominikanischen Republik verantwortlich, während die einzelnen Projekte die Verantwortung nach eben jenem Monat übernahmen.
So war der erste Monat mit allerlei Aktivitäten (Besuch angrenzender Städte, Reservate et cetera) und Vorträgen (u.a. Kultur, Essen, Politik, Gesellschaft) gefüllt, doch auch ein einmonatiger Sprachkurs sollte bereit gestellt werden. Desweiteren wurden wir gegen Ende des ersten Monats für zwei Wochen in zur Integration, Beobachtung und Evaluation in ein öffentliches Gymnasium gesteckt, wo alle Freiwilligen (es sind momentan fünf die unter der Obhut von der Oficina Técnica stehen. Vier vom ICJA, einer vom GIZ) die Eigenheiten des dominikanischen Schulwesens kennen lernen durften. Die Art des Unterrichtes hängt stark vom Lehrer ab. Ist er autoritär, wird still gesessen und servil befolgt, was er für Anweisungen gibt. Ist er es nicht, wird gebrüllt, mit Sachen geworfen, aus dem Klassenzimmer gegangen, Rangeleien angefangen, den Lehrerinnen an den Hüftspeck gepackt und andere unterrichtsfernen Aktivitäten nachgegangen. Ich hatte das Vergnügen dreimal Französischunterricht zu erleben und habe in dieser Zeit nicht ein französisches Wort gehört, da sich die Lehrerin vorne mit den Schülern unterhalten hatte während der Rest so ziemlich alles mögliche machte - nur eben nicht am Unterricht partizipierte. Bei autoritäreren Lehrkräften tauchen hingegen andere interessante Situationen auf. In Spanisch durfte ich mir beispielweise 30x (von jedem Schüler einmal) die gleiche auswendig gelernte Definition einer "freien Diskussion" anhören. Eine Definition zu einer freien Diskussion auswendig lernen ist an sich schon so grotesk, dass ich die Ironie dieser Tatsache gar nicht mehr groß anzusprechen brauche. Auch geht hier die Schule lediglich von 8.00 - 12.20, da dem Bund die finanziellen Mittel fehlen und um 14.00 schon der nächste Block an Schülern angerollt kommt. Doch auch nach diesem Einführungsmonat werden wir weiterhin von der Oficina stark unterstützt. So gibt es gelegentliche Ausflüge (beispielweise in die Hauptstadt) und in regelmäßigen Abständen stattfindende Treffen in denen man über die Arbeits-Wohn-und allgemeine Situation spricht. Über mangelnde Unterstützung kann man sich also wirklich nicht beklagen.
Auch die Betreuung durch mein Projekt lässt an nichts vermissen. Man kann nirgendwo erwarten, dass einem auch nur eine Sache hinterhergetragen wird – Eigeninitiative und Beharrlichkeit sind eine der wertvollsten Eigenschaften in der Dominikanischen Republik – dennoch stößt man meist auf offene Ohren und Türen, wenn man auch nicht erwarten kann, dass Pläne oder Ideen sonderlich zeitnah umgesetzt werden. Andererseits ist auch dies eine Besonderheit der Kultur, mit der man sich mehr als anfreunden kann.
Um auf den Aspekt meiner Arbeit zu sprechen zu kommen, sollte man eben jene vielleicht erst in verschiedene Aspekte aufteilen.
Der erste Aspekt wäre die allgemeine Arbeit in der Fundación Rumbo Juvenil. Diese umfasst Malerarbeiten und sonstige kleine Dinge, die anstehen, sollte ich gerade in keiner der beiden anderen Projekte arbeiten.
Der zweite Aspekt umfasst die „Öko-AG“, zu Spanisch „Ecoclubes Villa Tapia“ – initiiert von Rumbo Juvenil sowie der Casa de Juventud (eine weitere Zweigstelle der Oficina Tecnica).Bei dieser Arbeit gehe ich in verschiedene Schulen und leite einmal wöchentlich (drei Schulen, also drei wöchentliche Treffen) eine Art ökologische AG, in der ich den Schülern (Alter 15-18) ökologisches Bewusstsein versuche nahe zu bringen. Da die Dominikanische Republik ein großes Müllproblem hat und bestimmte Orte zu den verschmutzten Orten in der ganzen Welt gehören, ist Relevanz hierbei durchaus gegeben. Desweiteren waren Ausflüge und Aktivitäten geplant, die jedoch leider nie wirklich statt fanden, sodass ich mit dieser Arbeit Anfang Februar aufgehört habe, da schlichtweg keine Schüler mehr kamen (auch nicht nach mehreren Wiederbelebungsversuchen), sodass Aufwand und Ertrag in keinen Verhältnis mehr zueinander standen.
Der dritte Aspekt umfasst meine Arbeit in einem Kindergarten etwas weiter außerhalb Villa Tapias. Grob gefasst kann man dieses „Centro“ als kostenlose Einrichtung für Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen titulieren. Heißt, falls die Mütter/Kinder geschlagen-, Eltern geschieden werden, es unklare Finanzverhältnisse etc. gibt, haben die Familien die Möglichkeit für ein wenig Entlastung zu sorgen, indem man den Nachwuchs jeden Tag von 08.00 – 11.30 in die Obhut eben jenes Centros gibt (in der sie teilweise auch die einzige Mahlzeit pro Tag bekommen).
Wie man sieht, gibt es also reichlich zu tun und nach dem Wegfall der „Ecoclubes“ bin ich bereits fleißig auf der Suche, wie ich diese entstandene Lücke adäquat füllen kann.
Bezüglich meiner allgemeinen Situation gibt es nicht all zu viel zu erzählen. Sowohl mit meiner Gastsituation als auch mit meinem Lebensalltag bin ich mehr als zufrieden. Innerhalb der Woche isst und unterhält man sich innerhalb der Familie, betreibt einen Sport et cetera und an den Wochenenden geht man mit seinen dominikanischen Freunden feiern oder erkundet mit den anderen ICJA-Freiwilligen die anderen wunderschönen Ecken dieses abwechslungsreichen Karibiklandes.
Es gibt noch so viele weitere Aspekte in der Dominikanischen Republik, die es wert sind, angesprochen zu werden. Sei es der latente Rassismus (Haiti/Dominikanische Republik), der populistische Wahlkampf (im Mai 2012 sind Wahlen), die Gesellschaftsstruktur im Allgemeinen, Popkultur und so weiter, und so fort. Aber mir fehlt sowohl Zeit als auch Muße, auf diese Themen so umfassend einzugehen, als dass ich ihnen auch nur annähernd gerecht werden könnte. So belasse ich es lieber bei vagen Andeutungen und reiche diesen Bericht (ganz der dominikanischen Zeitrechnung entsprechend, ein wenig verspätet) ein.
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